Die Geschichte des Bahnhofs Forst Zinna und das schwerste Zugunglück der DDR

Die Entstehung des Bahnhofs Forst Zinna

Der Bahnhof Forst Zinna lag an der wichtigen Bahnstrecke Berlin–Halle und wurde im Jahr 1937 errichtet. Sein Bau erfolgte im Zusammenhang mit dem nahegelegenen militärischen Übungslager, das damals unter dem Namen ‚Adolf-Hitler-Lager‘ bekannt war. Dieses Lager diente der Wehrmacht als Ausbildungsstätte für Panzerfahrer und andere Truppen. Der Bahnhof spielte dabei eine zentrale Rolle für den Nachschub von Material und Soldaten.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs übernahm die sowjetische Besatzungsmacht das Gebiet. Der Bahnhof diente fortan vor allem militärischen Zwecken. Das Lager wurde zunächst als Internierungslager für Kriegsgefangene und sogenannte ‚displaced persons‘ genutzt. Später wurde es von der Deutschen Verwaltungsakademie ‚Walter Ulbricht‘ belegt, bevor es 1953 erneut unter sowjetische Kontrolle geriet. Bis zum Abzug der sowjetischen Truppen in den 1990er-Jahren war das Areal ein wichtiger Militärstandort der Roten Armee in der DDR.

Die Beschriftung des ehemaligen Bahnhofsgebäudes mit dem Schriftzug Forst Zinna.

Das Zugunglück vom 19. Januar 1988

Am 19. Januar 1988 ereignete sich am Bahnhof Forst Zinna das schwerste Zugunglück in der Geschichte der DDR. An diesem Tag war ein Panzer des Typs T-64A mit einer jungen Besatzung auf einer Übungsfahrt unterwegs. Der Panzer wurde von einem 19-jährigen Fahrschüler gesteuert, unter Aufsicht eines 20-jährigen Ausbilders. Aufgrund eines Missverständnisses verließ der Panzer gegen 17.50 Uhr das Übungsgelände und geriet unkontrolliert auf die Gleise der Strecke Berlin–Halle.

Zu diesem Zeitpunkt näherte sich der Schnellzug D716 mit etwa 450 Passagieren an Bord. Der Lokführer hatte keine Chance, den herannahenden Zug noch rechtzeitig zu stoppen. Die Kollision war unvermeidlich: Der Zug prallte ungebremst auf den tonnenschweren Panzer. Die Lokomotive wurde schwer beschädigt, mehrere Wagen entgleisten.

Bei dem Unglück verloren sechs Menschen ihr Leben, darunter die beiden Lokführer. 33 weitere Personen wurden teils schwer verletzt. Der Panzer selbst wurde durch den Aufprall auf das Gleisbett geschleudert, seine Besatzung überlebte jedoch mit leichten Verletzungen. Die Rettungskräfte waren schnell vor Ort, dennoch gestalteten sich die Bergungsarbeiten schwierig, da das Wrack der Lokomotive und die zerstörten Waggons ineinander verkeilt waren.

Folgen des Unglücks

Das Unglück hatte weitreichende Konsequenzen. Zum ersten Mal in der Geschichte der DDR wurden sowjetische Soldaten von den Behörden der Deutschen Volkspolizei vernommen. Dies war in der bis dahin engen Zusammenarbeit zwischen der DDR und der Sowjetunion ein Novum, da sowjetische Streitkräfte normalerweise von der DDR-Justiz nicht belangt werden konnten. Die Medien berichteten für DDR-Verhältnisse überraschend offen über das Unglück, was als Zeichen diplomatischer Spannungen zwischen Ost-Berlin und Moskau gewertet wurde.

Als Reaktion auf das Unglück wurden entlang der Bahnstrecke Panzersperren errichtet, um ähnliche Vorfälle in Zukunft zu verhindern. Zudem wurden Sicherheitsmaßnahmen für militärische Übungen verschärft, um das Risiko für zivile Verkehrswege zu minimieren.

Der ehemalige Bahnsteig vom Bahnhof Forst Zinna wird von der Natur zurückerobert.
Bei einer Wanderung/Radtour durch Forst Zinna lassen sich die Überreste vom alten Bahnhof entdecken.

Der Bahnhof Forst Zinna heute

Nach dem Abzug der sowjetischen Truppen in den 1990er-Jahren verlor der Bahnhof Forst Zinna zunehmend an Bedeutung. Im Rahmen von Konversionsmaßnahmen wurden ab Ende 2007 die ersten militärischen Anlagen und Gebäude auf dem Gelände abgerissen, um das Gebiet zu renaturieren und mögliche Gewerbeflächen für die Zukunft zu schaffen. Einige wenige Gebäude, wie das ehemalige Proviantlager aus der Wehrmachtszeit, stehen unter Denkmalschutz und zeugen von der bewegten Geschichte dieses Ortes.

Heute erinnert nur noch wenig an die einstige militärische und verkehrstechnische Bedeutung des Bahnhofs Forst Zinna. Das Gebiet ist größtenteils renaturiert und nur noch zu Fuß oder per Rad erreichbar. Dennoch bleibt das Zugunglück von 1988 in Erinnerung als eines der schlimmsten Eisenbahnunglücke der DDR-Geschichte – ein tragisches Kapitel, das die enge Verflechtung von Militär und ziviler Infrastruktur in der DDR deutlich macht.

Das alte Proviantlager mit Gleisanschluss steht heute unter Denkmalschutz.
Vom alten Bahnhofsgelände ist nur noch das denkmalgeschützte Proviantlager übrig geblieben. Ein Gleisanschluss ist durch die neue B101 jedoch nicht mehr möglich.

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