Ein Bahnhof voller Geschichten – Grüna-Kloster Zinna

Versteckt in der brandenburgischen Landschaft, eingebettet zwischen Feldern, Dörfern und Geschichte, lag einst ein Bahnhof, der mehr war als nur ein Haltepunkt: Grüna-Kloster Zinna. Die Geschichte dieses Bahnhofs spiegelt auf faszinierende Weise ein Jahrhundert deutscher Eisenbahnhistorie – mitsamt aller Umbrüche, Tragödien und Kuriositäten.

Vom schlichten Haltepunkt zum wichtigen Knoten

Mit dem Bau der Eisenbahnstrecke Berlin–Halle im Jahr 1840 wurde der Grundstein gelegt. Am 1. Juli 1841 erhielt Grüna seinen ersten Haltepunkt für Personen- sowie Gepäckverkehr – genutzt von Menschen aus Kloster Zinna, Dorf Zinna (heutiges Neuheim) und sogar Mehlsdorf, einem Ort, der um 1940 der Ausweitung des Truppenübungsplatzes Jüterbog-West weichen musste. Bereits 1874 wurde Grüna in den öffentlichen Nahverkehr eingebunden.

Wandel durch die Jahrzehnte

1906 bekam der Bahnhof den offiziellen Namen ‚Grüna bei Jüterbog‘. Mit dem Ersten Weltkrieg begann der Ausbau: zwei zusätzliche Gleise, ein neuer Ausgang auf die Dorfseite, Diensträume, Warteräume und sogar eine Wohnung für den Bahnhofsvorsteher im Obergeschoss – der Bahnhof wuchs mit seiner Bedeutung.

Im Herbst 1918 schrieb er Geschichte: Ein mit Spartakisten besetzter Eisenbahnpanzerzug aus Berlin wollte nach Jüterbog vordringen, um die dortigen Kasernen zu besetzen. Dieser wurde jedoch in Grüna mit Kanonenschlägen empfangen und zur Umkehr gezwungen – ein dramatisches Kapitel in den Tagen der Novemberrevolution.

In der Nachkriegszeit wurde der Bahnhof zur Drehscheibe der sogenannten ‚Bleisucher‘, die auf dem Schießplatz Buntmetalle sammelten, um diese zu verkaufen. Die örtliche Polizei konnte dies nicht verhindern. Folglich hat man in Grüna eine Annahmestelle eingerichtet und das Geld gleich dort ausgezahlt.

Der Bahnhof Grüna-Kloster Zinna von der Straßenseite.
Der Bahnhof Grüna-Kloster Zinna von der Straßenseite mit dem Vorplatz.


Etwa zur gleichen Zeit nahm ein älterer Mann namens Fritze Neumann seinen Pferdetaxi-Betrieb – bestehend aus einer Kutsche mit einem Schimmel – auf. Er transportierte Reisende zwischen dem Bahnhof und Kloster Zinna. Wer warten musste, kehrte gern in der Gaststätte ‚Zur Eisenbahn‘ in der Nähe des Bahnhofs ein.

Zwischen Fortschritt und Katastrophen

1926 zog mit elektrischer Beleuchtung der Fortschritt ein. 1930 folgte die Umbenennung in ‚Grüna-Kloster Zinna‘, was dem Bahnhof seine endgültige Identität verlieh. Der florierende Güterverkehr machte ihn wirtschaftlich bedeutsam. Überschattet wurde diese Zeit durch ein schweres Zugunglück zwischen Jüterbog und Grüna. Ein Attentäter hatte am 8. August 1931 auf den D-Zug von Basel nach Berlin einen Anschlag verübt, wodurch es über einhundert Verletzte gab. Sieben Waggons stürzten dabei die vier Meter tiefe Böschung hinab, nach dem Täter ein 3,50 Meter langes Schienenteil mit Ekrasit weggesprengt hatte. Durch den Sandboden wurde der Sturz glücklicherweise abgemildert, wodurch es keine Toten gab. Der Verursacher wurde später in Wien verhaftet und erhielt sechs Jahre Kerkerhaft.

Die zerstörte Lokomotive mit den dahinter liegenden Waggons.
Trotz des großen Schadens kam beim Zugunglück niemand ums Leben.


Als ab 1934 das Lager Forst Zinna entstand, wurde Grüna zur logistischen Lebensader. Erst 1937 bekam das Lager mit der Station ‚Forst Zinna‘ einen eigenen Bahnhof – bis dahin lief alles über Grüna.

Die Nachkriegszeit und das langsame Sterben

Am 1. April 1945 wurde der Bahnhof geschlossen, nur um wenige Wochen später – am 18. Juni – wiederzueröffnen. Zunächst eingleisig, da eine Brücke in Richtung Jüterbog beschädigt war. Der Wiederaufbau ging schleppend, aber stetig voran. In den 1950er-Jahren war die Strecke wieder zweigleisig, ab 1978 sogar elektrifiziert.

Dies konnte den schleichenden Niedergang des Bahnhofs ‚Grüna-Kloster Zinna‘ jedoch nicht verhindern: Der Güterverkehr wurde Mitte der 60er-Jahre eingestellt. 1977 schloss der Fahrkartenschalter – die Tickets gab es fortan im Zug. In den 1980er-Jahren wurde das Gebäude zunehmend verwahrlost, nicht zuletzt durch vandalierende Jugendliche nach Diskobesuchen.

Die Strecke zwischen Luckenwalde und Jüterbog wurde am 19. Januar 1988 von einem schweren Zugunglück in Forst Zinna erschüttert, als ein Panzer bei der Überquerung der Schienen auf den Gleisen stecken blieb. Ein aus Leipzig kommender D-Zug rammte in diesen frontal hinein, es gab vier Tote sowie 36 Verletzte.

Die politische Wende führte zu einem Aderlass in der Region. Zahlreiche Betriebe mussten schließen und vor allem junge Menschen zogen weg, um woanders ihr Glück zu suchen. Und so kam es, wie es kommen musste: Am 31. Mai 1994 hielt der letzte Zug am Bahnhof ‚Grüna-Kloster Zinna‘. Zwei Jahre später wurde das Gebäude abgerissen – ein stiller Abschied, der kaum Beachtung fand.

Ein Ort voller Geschichten

Was bleibt, ist ein Ort voller Geschichten. Vom Aufbruch des Industriezeitalters über die politischen Umwälzungen des 20. Jahrhunderts bis hin zur DDR-Realität – der Bahnhof Grüna-Kloster Zinna war stets ein Spiegel seiner Zeit. Heute erinnern nur noch alte Fotos und Erzählungen an einen Ort, an dem einst das Taktgefühl der Eisenbahn den Alltag bestimmte.

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